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17. Oktober 2014

Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und Finanzinstitutgesetz (FINIG)

Die Handelskammer beider Basel lehnt die Entwürfe zum FIDLEG sowie zum FINIG ab und fordert eine Überarbeitung in wesentlichen Punkten.

 

Einleitende Bemerkung

Nach Konsultation der Vernehmlassungsunterlagen steht für die Handelskammer fest, dass der Entwurf zum FIDLEG für die verschiedensten Arten von Finanzdienstleistern gelten soll. Diese Dienstleister haben verschiedene Geschäftsmodelle, seien es Banken, Versicherungen oder unabhängige Berater. Für die Handelskammer ist klar, dass ein Einbezug der Versicherungsbranche unter FIDLEG / FINIG nicht nötig ist. Sie verweist hier auf die bereits sehr hohe Regulierung im Versicherungsbereich.

 

Entwurf FIDLEG

Die Handelskammer lehnt die Vorlage zu FIDLEG in der vorliegenden Form ab. In folgenden, wesentlichen Punkten ist sie zu überarbeiten:

 

Da die vorgesehenen Verhaltensregeln grösstenteils bereits für Schweizer Vermögensverwalter gelten, ist die Schaffung eines neuen Gesetzes zur Kodifizierung bestehender Regeln nicht nötig.

Insbesondere die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche, wie vorgesehen unter dem 4. Titel des Entwurfs zum FIDLEG, wird abgelehnt: Art. 74 Abs. 1 des Entwurfs sieht vor, dass „der Finanzdienstleister <…> die Beweislast <trägt>, dass er seinen gesetzlichen Informations- und Aufklärungspflichten nachgekommen ist.“ Diese Bestimmung kehrt den zivilrechtlichen Beweislastgrundsatz gemäss Art. 8 ZGB um. Dieser sieht nämlich vor, dass „derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen , der aus ihr Rechte ableitet.“ Darauf gestützt muss also der Kunde den Nachweis für die vom Finanzdienstleister begangene Vertragsverletzung erbringen. Dies hiesse also, dass der Finanzdienstleister grundsätzlich für den vom Kunden geltend gemachten Schaden auch dann haften würde, wenn kein eigenes Verschulden vorliegt, es sei denn, es gelingt ihm die Erfüllung seiner Informations- und Aufklärungspflichten zu beweisen. Gelingt ihm dies nicht, so erhält die beurteilende Instanz gemäss Art. 74 Abs. 2 keinerlei Ermessensspielraum bei der Beurteilung des Falles: „Ist der Finanzdienstleister seinen gesetzlichen Informations- und Aufklärungspflichten nicht nachgekommen, so wird vermutet, dass die Kundin oder der Kunde das betroffene Geschäft nicht getätigt hätte.“ Das bedeutet, dass der Finanzdienstleister grundsätzlich vollumfänglich für jede Vermögenseinbusse haftet, unabhängig von der Frage der Übereinstimmung der getätigten Anlagen mit der Anlagepolitik, die mit dem Kunden vereinbart worden ist. Eine Umkehr der Beweislast im Finanzdienstleistungsrecht stellt die Finanzdienstleister unter Generalverdacht und wird kategorisch abgelehnt. Die Gründe für die Begünstigung der Kunden eines Finanzdienstleisters beim Nachweis der Haftungsvoraussetzungen gegenüber einem anderen Rechtssuchenden sind nicht ersichtlich. Die Beweislastumkehr, wie sie in Art. 74 FIDLEG vorgesehen ist, verbunden mit der Pflicht zur Herausgabe der Kundendossiers gem. Art 72f FIDLEG lädt geradezu zur missbräuchlichen Prozessführung ein, zumal vorgesehen ist, dass diese kostenlos sein soll.

 

Weiter werden eine Ombudsstelle gem. Art. 75-84 FIDLEG, ein Schiedsgericht gem. Art 85-91 FIDLEG sowie ein Prozesskostenfonds gem. Art. 85-100 FIDLEG abgelehnt. Ein alternatives obligatorisches Streitbeilegungsverfahren wird bereits im Zivilprozessrecht vorgesehen, so dass der Bedarf einer entsprechenden spezialgesetzlichen Regelung nicht besteht. Der Rechtssuchende kann seine Ansprüche bereits heute über die funktionierende ordentliche Zivilgerichtsbarkeit geltend machen. Weiter erscheint eine einseitige Kostenpflicht zu Lasten der Finanzdienstleister bei den drei genannten Instanzen (Art. 76 Abs1, Art 86 Abs. 3, Art 87 FIDLEG) als nicht sachgerecht. Das Zivilprozessrecht sieht bereits heute für Parteien, welche nicht über die finanziellen Mittel verfügen, eine unentgeltliche Rechtspflege vor. Dies genügt nach Ansicht der Handelskammer beider Basel.

 

In zahlreichen Bestimmungen des Entwurfs zum FIDLEG wird die Gesetzesausführung an den Bundesrat delegiert. Ferner wird in Art. 122 FIDLEG unter dem Titel „Schlussbestimmungen“ der Bundesrat pauschal zum Erlass von Ausführungsbestimmungen ermächtigt: „Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen.“ Das heisst, dass im Rahmen der vorliegenden Vernehmlassung lediglich die Möglichkeit besteht, zum Vorentwurf des Gesetzes Stellung zu beziehen. Dies „in Unkenntnis dessen tatsächlicher Tragweite.“ Weiter verletzt die pauschale Delegationsnorm von Art. 122 FIDLEG das Legalitätsprinzip. Diese Norm bezieht sich nicht auf eine bestimmte, genau umschriebene Materie, sondern ermächtigt den Bundesrat allgemein zum Erlass von Ausführungsbestimmungen. Art. 122 FIDLEG erfüllt somit die an eine gültige Gesetzesdelegation gesetzten Anforderungen nicht und ist deshalb unzulässig.

 

Entwurf FINIG

Die Handelskammer lehnt die Vorlage zu FINIG aus den folgenden Gründen in der vorliegenden Form ab. Sie ist in wesentlichen Punkten zu überarbeiten.

Die Handelskammer lehnt die Gründung von Aktiengesellschaften im Sinne von Art. 82 FINIG i.V.m. Art. 43a ff. FINMAG ab.

 

Art. 43d bis Art. 43m verlangt die Schaffung von Aufsichtsorganisationen (AO), die gem. FIDLEG Vermögensverwaltern die erforderliche Bewilligung erteilt und deren Tätigkeit beaufsichtigt. Die AO muss eine Aktiengesellschaft mit Sitz und Hauptverwaltung in der Schweiz sein, deren Aktienkapital in vollständig liberierten Namenaktien eingeteilt ist. Dabei müssen die Eigentumsverhältnisse die Branche der Beaufsichtigten angemessen widerspiegeln. Art. 43d FINMAG geht davon aus, dass der Markt eine oder mehrere entsprechende AO ins Leben rufen wird. Dies hiesse, dass die Privatwirtschaft eine AG i.S.v. Art. 620 OR gründen müsste. Weiter müssten genügend Personen vom Erwerb von – voll einzubezahlenden – Gesellschaftsanteilen überzeugt werden, ohne dass diese wissen können, ob die neu gegründete AG auch tatsächlich eine Bewilligung als AO i.S.v. Art. 82 Abs. 1 FINIG erhalten wird. Dies erscheint stossend. Ferner ist die Aktiengesellschaft keine geeignete Rechtsform für eine aufsichtsrechtliche Organisation, da das mit der Aktiengesellschaft verbundene Gewinnstreben mit einer unabhängigen Aufsicht unvereinbar ist.

 

Gem. Art. 11 FINIG muss der Finanzintermediär prüfen, „ob ein erhöhtes Risiko besteht, dass in Verletzung der Steuerpflicht unversteuert sind oder nicht versteuert werden.“ Was unter „erhöhtes Risiko“ i.S.v. Art. 11 Abs. 1 FINIG zu verstehen ist, wird nicht definiert. Das Finanzinstitut muss zwar „weitergehende Abklärungen“ nur bei Vorliegen von „Hinweisen, die auf ein erhöhtes Risiko hindeuten“ machen. Dennoch muss das Finanzinstitut Abklärungen treffen, um das Vorliegen eines erhöhten Risikos überhaupt zu prüfen. Damit wird dem Finanzinstitut eine systematische Grundprüfung der Einhaltung der Steuerpflicht zur Beurteilung des Vorliegens eines (nicht definierten) „erhöhten Risikos“ auferlegt.

Über das Ausmass der damit verbundenen Abklärungen schweigt der Vernehmlassungsentwurf.

Im Ergebnis zwingt Art. 11 FINIG die Finanzinstitute, mit völlig uneinschätzbarem Aufwand, die Steuerkonformität der entgegenzunehmenden Gelder ihrer Kunden zu prüfen. Dies ist für die Handelskammer nicht akzeptabel. Denn den Finanzinstituten wird auf diese Weise zugemutet, sich im Steuerrecht zahlreicher Staaten auszukennen, um diesen neuen Pflichten nachkommen zu können. Ferner werden den Finanzinstituten Abklärungen zur künftigen (!) Steuerkonformität der fraglichen Vermögenswerte zugemutet. Zahlreiche Faktoren wie die Steuergesetze selbst oder die konkreten Umstände, an welche bestimmte Steuern anknüpfen, wie z.B. Wohnsitz oder Sitz eines Kunden, können sich ändern. Wie diese Faktoren von den Finanzdienstleistern vorausgesehen werden sollen, wird in der Vernehmlassungsvorlage nicht dargelegt.

Solche Sorgfaltspflichten werden nie internationaler Standard werden, alleine durch den Umstand, dass diese Pflichten durch die Finanzinstitute realistischerweise nicht erfüllt werden können. Deshalb lehnt die Handelskammer die in Art. 11 FINIG vorgesehenen Regelungen ab.

 

In zahlreichen Bestimmungen im FINIG wird die Gesetzesausführung analog zum Entwurf FIDLEG an den Bundesrat delegiert. Ferner wird in Art. 123 FINIG unter dem Titel „Schlussbestimmungen“ der Bundesrat pauschal zum Erlass von Ausführungsbestimmungen ermächtigt: „Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen.“ Zu bemängeln ist hier einerseits, dass über die zahlreichen Delegationsnormen die inhaltliche Regelung des FINIG zu einem grossen Teil nicht im Gesetz im formellen Sinne, sondern in der Verordnung stattfindet. Im Rahmen der vorliegenden Vernehmlassung besteht lediglich die Möglichkeit, zum Vorentwurf des Gesetzes „in Unkenntnis deren tatsächlichen Tragweite“ Stellung zu beziehen. Andererseits verletzt die pauschale Delegationsnorm von Art. 123 FINIG an den Verordnungsgeber das Gebot der Rechtssicherheit sowie das Legalitätsprinzip aus den bereits weiter oben bei den Bemerkungen zu Art. 122 FIDLEG genannten Gründen. Art. 123 FINIG erfüllt somit die an eine gültige Gesetzesdelegation gesetzten Anforderungen nicht und ist deshalb unzulässig.

 

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Stellungnahme Fidleg und Finig

Florian Landolt
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Standortpolitik

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